Shaker Laibi

Die neuen Sternzeichen

Ein Gedichtzyklus von Shaker Laibi

Aus dem Französischen übersetzt

Von Menga Juon, Genf, 26. Februar 2000

 

Das Zeichen des Widders  

Der Glückselige trägt seine Rohrflöte auf die Weide

Er ergreift Rose und Halm am Brunnen

Im Klang der Flöte ist er auferstanden

In die Höh

In die Höh

In die Höh

Wie verirrt

Wie entflogen

Als Zeichen der Erhabenheit

 

Das Zeichen des Stiers

Im Dunkeln weidet er

Zwischen dem Summen der Mücken

In der Betäubung des Rausches, erschien er

Streckte sich im Schlamm

Ging voran und verschwand am Horizont

Erregt durch ein Weibchen

Erregt, den Wolken einen Dolchstoss versetzend

In der Kraft weidete er

Und im Dunkeln schritt er voran

 

Das Zeichen der Zwillinge

Entführe mich in den Garten der Wolken

Führe mein Schiff ans Ufer des verzauberten Flusses

Im Irrgarten, lass mich ziehen

Lass mich ziehen, dem Licht entgegen

 

Das Zeichen des Krebses

Seit Anbeginn umzingelt mich der Krebs

Seit der Dunkelheit des fruchtbaren Leibes

Er streckt seine Hände aus,

Umfasst mein Gedächtnis,

Bedrängt meine bebenden Wimpern

Seit der Sintflut

Bedroht er meines Boden Sicherheit

Die Höfe der meinen

Seit der Fuchs auf den Feldern erschien

Seit der Genesis der Farben

 

Das Zeichen des Löwen  

Mein Freund, du bist nicht so wie ich

An der Schwelle des Geistes sitzend

Endest Du als Angestellter

Du stehst nicht wie ich, im Zwiespalt der Einsamkeit

Im Zwiespalt

Meiner Niederlage

Und meines leichten Lächeln des Sieges

 

Das Zeichen der Jungfrau

In der Früh richtete die Jungfrau ihren Blick

Auf das Türkisgrün ihres Fingerringes,

Die Welt ist blau.

Die Jungfrau suchte unter ihrem Gewand

Die Geschmeidigkeit ihres Körpers

In ihrem weissen Kleid ein freudiges Pochen

In der Rose haftet ihre rote Einsamkeit.

Die Jungfrau drehte sich im eigenen Charme

Im Spiegel sah sie eine Rose wachsen,

Auf den Lippen schimmerte Wein

 

Das Zeichen der Waage

Ich habe die Jahre mit Steinen gewogen

Mit einer zwischen den Verbannungen dahinirrenden Träne

Mit in zwei Sätzen festgehaltener Poesie.

Ich habe die Verbannungen mit den Augen abgewogen, wie ein Wolf

Die Völker habe ich gegeneinander abgewogen, gegen das Meine,

Die Herzen gegen das Meine,

Die Hoffnung gegen meine Verzweiflung,

Die Gestern gegen mein Gestern,

In meiner Seele habe ich jedoch mein Volk getroffen

 

Das Zeichen des Schützen

Gespannt wie ein Schrei, dieser Bogen wie eine schwere Traube

Dunkelheit strömt aus dem Instrument

Rennt hinter einem Pfau her

Nach dem Glockenschlag

Vor der Sintflut

Weit aufgerissen, wie ein Mund, dieser gespannte Bogen

Das Zeichen des Skorpions  

Ich werde sagen: Nähert euch meinen Fangarmen

Sie erlösen euch vom Unrat des Bösen

Vom Schmutz des Guten

Vom Widersinn des Menschen

Ich werde sagen: Nähert euch meiner Finsternis

Beugt euch meinen Bissen

Reiht euch ein, auf meinen Weg

Ich werde die Erde zu den Erdbewohnern hinführen

 

Das Zeichen des Steinbocks

Er sagt: Meine Mutter war eine Gazelle

.. .. .. .. .. .. .. .. Baum mein Vater

Meine Schwestern waren ansteigende Wege

Und ich eine unreife, die ansteigenden Wege hinunterpurzelnde Frucht

 

Das Zeichen des Fisches

Jonas, warum steigst Du nicht aus den Gedärmen des Fisches

Hier gibt’s Sonne

Gibt’s Gras

Gibt’s Diamanten

Jonas, warum nicht

Unser ist die Erde, das Festland

Unser ist das Meer

Und die Dunkelheit ist ein Grab

Jonas, warum nicht

 

Das Zeichen des Wassermannes

 Einsam hängt der Eimer am Brunnen

Im Dämmerlicht, ohne Führung

Sich im Geheimnis wiegend

Das Gesicht einer Viper streifend

Am Brunnen hängt er

Aus Holz

Feucht

 

Das Sternzeichen des Wassermannes der abendländischen Kultur trägt im arabischen Raum eine leicht veränderte Bedeutung; es wird zum Zeichen des Eimers.

 

 

Die Frau

Shaker Laibi

Dann sagte sie

Fürchte dich nicht, fürchte dich nicht

Und sie legte ihre Sonne in meine Hand

Hängte ihre Freundschaft an mein Herz

Die Gesinnung, auf ihrem leicht erhöhten Balkon, war glücklich

Fürchte Dich nicht, fürchte dich nicht

Ich habe ihren Busen im Gras gesehen

Wie ein Messer glänzte der Genuss auf ihren Schultern

Ein Funken entsprang dem Körper

Fürchte dich nicht, fürchte dich nicht

Wiege dich in der Erhabenheit

Oh Leidenschaften

Zärtlichkeiten

Von Moos und Vögeln umgeben, drang sie zu mir vor

Sie entfaltete sich

Wie eine frische Brise breitete sie sich aus

Sich krönend wie der Tod

Blühte auf wie eine Rose

Fürchte dich nicht, fürchte dich nicht

Nimm meine Hand und lass mich Psalmen singen

Sie reckte sich im Licht

Wo Möwen ihr zu Füssen, sich rühmten

Türen schlugen zu, mit Gewalt auf ihrer triumphierenden Blösse

Zwischen ihrem Schluchzen und ihrer Erstarrung wälzte sie sich

Zwischen Verwundung und Mutterschaft

Zwischen Versprechen und zärtlichem Ried

Unter einem feierlichen Regen wand sie sich

Dort wo Männer sich bewegten

Wie einer Legende entronnen

Wo es Gürtel, Schleifen und Schmuckstücke bis zur Bewusstlosigkeit gab

Wo es das zur Makellosigkeit verdammte göttliche Siegel gab

Wo der Körper plätschert

Die Stürme sind parfümiert

Und das allumfassende Wohlbefinden

Fürchte dich nicht, fürchte dich nicht Geliebte

 

Gedicht von Shaker L a i b i

Tripoli im Libanon, den 24. August 1983

Übersetzt aus dem Französischen

Menga Juon, Genf, im Februar 2000

 

 

 

Das Lied des Verbannten

Shaker Laibi

 

Ich habe ein Segel geschmiedet

Und bin auf Silber gereist

Ich habe meine Tränen verlassen

Felder wegen

Die zu einem Feuer führen.

Meine Hände in der Luft

Die Augen über meinem Land

Im Freien irrend

Ich habe ein Segel und ein Schiff geschmiedet

Habe meine Seele verlassen,

Einer Insel wegen,

Die sich jedesmal entfernte, wenn ich zu ihr ging

Die jedesmal zusammenfuhr, wenn mein Boot sie flüchtig berührte.

 

Ich habe Gedichte, Blumen, Freunde geschmiedet

Und allein mit dem Sturm fand ich mich sitzend wieder

Ich habe meine Wurzeln in die Erde geschlagen

Und ich neige mich, um den Staub vorüberwehen zu lassen.

Ich habe eine Gazelle und arabische Weisheit geschmiedet

Und den vollendeten Kreisumfang gebildet

 

Dann habe ich meiner Seele das Singen erlernt:

Weiss ist der Schmerz

Rot meine Fahne

Und das Schwarz

Das erhabene Schwarz ist die Himmelspforte der reinen Engel

Ich habe Raum und Gestirn erschaffen

Und ich habe zehn Finger ausgestreckt

Habe ein Kreuz aufgestellt,

Leitern, dann . . .

Habe ich das Erschüttern meines Zusammenbruchs

Auf dem Gras vernommen

Oh Kraft des Steins,

Des Wassers, Mastes, Ertragt . . .

 

Ich habe die Versuchung und die Worte geschaffen,

Habe meinen Träumen die Fenster entrissen

Meinen trägen Gästen die Trinkgefässe

Gebrochenen Herzens habe ich mich gepriesen

Ich habe mit meinem Herzen gefeiert.

 

Gedicht von Shaker L a Ï b i

Aden, den 19.Dezember.1982

Übersetzt aus dem Französischen von Menga Juon

Genf, den 27. Februar 2000

Retour à la page d'accueil